Römisches Kastell in Iža - Kelemantia

 
 
Gleich nach Abschluss der Markomannenkriege begannen die Römer mit der Erneuerung der beschädigten oder völlig zerstörten nordpannonischen Limesbefestigungen. Im Rahmen des umfangreichen Bauprogramms unter Kaiser Commodus wurden die meisten der damaligen Holz-Erde-Befestigungen in Stein umgebaut. Zu dieser Zeit begann auch der Aufbau des Steinkastells direkt an der Stelle des verwüsteten Holz-Erde-Lagers im Brückenkopf gegenüber von Brigetio.

 

Nach den archäologischen Grabungsergebnissen war dies eine mächtige befestigte Festung, die eine Fläche von über 3 ha einnahm. Ihr Grundriss war quadratisch mit gerundeten Ecken und hatte Innenmassen von 172 x 172 m. Die Steinmauern erreichten mindestens eine Höhe von 4-5 m und waren mit Zinnen bekrönt. An der Innenseite waren sie mit einem Erdwall verstärkt, die zugleich den Wehrgang längs des ganzen Umfangs bildete. In der Mitte aller vier Seiten des Kastells befanden sich Eingangstore, die von je zwei Türmen geschützt waren. Das südliche Haupttor (porta decumana) am Donauufer sicherte die lebenswichtige Verbindung mit dem Legionslager in Brigetio. Es hatte eine doppeltorige Durchgangskonstruktion mit einem Mittelpfeiler, der Wölbungen stützte. Die Tortürme hatten rechteckige Grundrisse und ragten etwas vor die Linie der Festungsmauer. Die Wege in den Tordurchgängen waren mit kleinen Bruchsteinen befestigt. Das Nordtor (porta praetoria), das zum potentiellen Feind gewandt war, hatte nur einen einzigen Durchgang. Die Ecktürme, wie auch weitere Türme zwischen den Ecken und Toren, waren von der Innenseite an die Festungsmauer angebaut. Die Verteidigungsfähigkeit des Kastells wurde noch durch einen zweifachen Ring von Spitzgräben und Wällen verstärkt, der es auf drei Seiten umgab.

Die Errichtung dieser Festung war aussergewöhnlich aufwendig, weil die Römer das gesamte Baumaterial - eine Menge von Steinen, Kalk, Bauholz, Ziegel - mit Schiffen vom anderen Donauufer heranschaffen mussten. Wie die meisten Stempel auf den Ziegeln bezeugen, sicherte die legio I adiutrix aus Brigetio den Aufbau des Kastells. Die Ziegel wurden jedoch auf der Donau aus grösseren Entfernungen hierher geschafft.

      

Die Innenbebauung des Kastells ist bisher hauptsächlich aus älteren Ausgrabungen und Plänen von J. Tóth-Kurucz bekannt. Nach dem traditionellen römischen Schema bildeten die Achsen des Lagers die Hauptstrassen (via decumana und via principalis), die jeweils zwei gegenüberliegende Tore verbanden. Das Stabsgebäude befand sich jedoch nicht in der Mitte des Lagers, wo sich diese Wege trafen, sondern war ungewöhnlicherweise in den Raum beim Westtor des Kastells verschoben. Die Bäder, die in keinem römischen Lager fehlen durfen, waren in seinem Südostteil untergebracht. Die länglichen Bauten nahe der nördlichen Befestigungsmauer können nach ihrem charakteristischen Grundriss mit Stützpfeilern als Speicher (horrea) zur Aufbewahrung von Getreidevorräten angesehen werden. Die übrigen, in einem Gassensystem angeordneten Gebäude dienten als Kasernen und Ställe. Manche Grundrisse, die J. Tóth-Kurucz auf seinem Plan vermerkt hat, respektieren dieses Verteilungsprinzip der Innenbebauung des Kastells nicht und stammen offenbar erst von späteren Umbauten.

Im Südwestteil des Kastells entdeckte man kürzlich Spuren eines weiteren Kasernengebäudes. Auf seine Funktion verweist der rechtwinklige Grundriss, gegliedert durch Scheidewände in zwei Reihen von Räumen, die zur Unterbringung der Mannschaft dienten. Das Gebäude wurde auf 30 m Länge untersucht. Im ursprünglichen Zustand hatten sich nur die Mauersockel der Scheidewände erhalten. Sie bestanden aus gebrochenen Kalksteinen, die ohne Bindemittel in eine Fundamentrinne gelegt waren. Das Fussbodenniveau aus gestampftem Lehm wurde nur in zwei Räumen festgestellt. Die Kasernenwände waren wahrscheinlich aus Holz, oder als Fachwerkmauer aus ungebrannten Ziegeln gebaut. Der Bau fiel einer Feuersbrunst um die Mitte des 3. Jh. zum Opfer, wahrscheinlich während der Kriegsereignisse, die damals erneut an den nordpannonischen Grenzen ausbrachen. Bei der nachfolgenden Erneuerung planierten die Römer seine Ruinen und entnahmen die Steine aus den Fundamenten zur weiteren Verwendung.

In diesem Teil des Kastells erschloss man auch Reste zweier grosser Öfen zum Brotbacken sowie mehrere Brunnen. Diese waren ähnlich gebaut, wie in anderen römischen Lagern. Nach dem Ausheben eines kreisförmigen Schachtes und Erreichen des Grundwasserspiegels wurden zur Versteifung gebrauchte Holzfässer verwendet. Analysen zeigen, dass sie aus Kiefern- oder Tannenholz angefertigt waren. Den Oberteil des Brunnenschachtes umgab man schliesslich mit einem runden Steinkranz.

Hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmittelvorräte, Rohstoffe wie auch fertigen Erzeugnissen war die Besatzung des Kastells völlig abhängig von Lieferungen aus Brigetio und dem anliegenden Teil Pannoniens. Davon zeugen Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die z.B. zur Lagerung von Lebensmitteln, zur Vorbereitung und zum Servieren der Speisen oder zur Beleuchtung dienten, aber auch Tierknochen und verkohlte Pflanzenreste. Am zahlreichsten vertreten sind Tongefässe, die in den örtlichen Töpferwerkstätten von Brigetio angefertigt wurden. Vertreten sind jedoch auch Erzeugnisse aus entfernteren Produktionszentren. Ihre Massenproduktion beeinflusste die Ansprüche der römischen Armee beträchtlich. Der vorwiegende Teil der Gebrauchskeramik, Koch- und Tafelgeschirr (Töpfe, Deckel, Krüge, Becher, Schüsseln und Teller) stammt aus Töpferbetrieben in Brigetio. Obwohl in ihnen auch luxuriöse Ware angefertigt wurde, konnten sie die Nachfrage des Heeres nach Tafelkeramik von hoher Qualität nicht decken. Befriedigt wurde sie vor allem durch die Einfuhr von Terra sigillata - eines "antiken Porzellans" aus den weströmischen Provinzen (Gallien, Germanien, Raetien). Die Versorgung Brigetios und seines Brückenkopfes mit dieser Keramik erreichte ihren Höhepunkt während der Regierungszeit der Severer (Ende 2.-Anfang 3. Jh.), als Ware aus den bekannten Zentren im heutigen Deutschland hierher strömte (Rheinzabern, Westerndorf). In diesem Zeitabschnitt spielte Brigetio eine wichtige Rolle auch bei der Vermittlung von Terra sigillata in sein von Quaden besiedeltes weiteres Vorfeld.

Die Nahrung der Soldaten bestand vor allem aus Breispeisen aus Getreide, sowie aus Brot und Fleisch (Schweine, Rinder, Ziegen, Schafe, Geflügel, Fische). Für ihre Zubereitung dienten Öfen, die direkt in den Kasernengebäuden untergebracht waren. Eine Ausnahme bildete das Brotbacken, das eine besondere Einrichtung erforderte, nämlich einen Brotbackofen. Gewöhnlich handelte es sich um einen technisch nicht anspruchsvollen Bau mit flacher, mit Ziegeln ausgelegter Sohle und einer Lehmkuppel mit einer Öffnung. Die Öfen dieses Typs waren üblicherweise ein Bestandteil der Bäckereigebäude, oder sie bildeten in manchen Lagern ganze Batterien entlang der Innenseite der Umfassungsmauern. In der Ižaer Festung wurden zwei selbständig stehende Brotbacköfen in der Nähe der Zwischentürme freigelegt. Sie waren hier im Windschatten gelegen und ihre Bedienung beeinträchtigte nicht den militärischen Tagesbetrieb und die Sicherheit der Festung. In Anbetracht ihrer Konstruktion und Kapazität ist klar, dass ihre Aufgabe bei der Versorgung der Mannschaft lediglich vorübergehend und ergänzend war.

  

Das nähere Schicksal des Kastells während der zweiten Hälfte des 3. Jh. ist gegenwärtig nicht bekannt. Deutliche Spuren von Umbauten der Befestigungsanlagen stammen erst aus dem 4. Jh. Während der Regierungszeit der Konstantiner wurden an den nordpannonischen Grenzen alte Befestigungen erneuert und auch neue erbaut. Wahrscheinlich wurden damals in Iža am Nordtor wie auch an drei Ecken des Kastells bastionsartige Türme errichtet. Diese waren ausgeprägt vor die bisherige gerade Befestigungslinie vorgeschoben und ermöglichten ihre wirksamere Verteidigung. Die letzten umfangreichen Baugmassnahmen stammen aus der Regierungszeit des Kaisers Valentinian I., als die Römer noch einmal versuchten, ihre Machtposition an der mittleren Donau zu erneuern. Ihre Bauaktivitäten auf dem befestigten Brückenkopf Brigetio belegen unter anderem mehrere Funde gestempelter Ziegel aus dieser Zeit. Damals wurde wahrscheinlich der Durchgang durch das Nordtor des Kastells vermauert. Vor dem Südtor wurde in einem breiten Bogen ein Graben ausgehoben, und die Tordurchgänge wurden erneut mit grossen Steinplatten gepflastert. Offenbar schützten seither sogar fünf Ringe von Spitzgräben und Wallaufschüttungen das Kastell an den übrigen Fronten.

Diese Machtdemonstration der Römer rief einen neuen kriegerischen Konflikt hervor. Im Jahre 374 fielen die Quaden zusammen mit den Markomannen und Sarmaten in das Gebiet jenseits der Donau ein und verwüsteten das römische Gebiet. Im Frühjahr 375 unternahm Kaiser Valentinian I. einen Kriegszug gegen die Quaden, bei dem das römische Kastell in Iža offenbar eine bedeutende Rolle spielte. Aus dieser Zeit stammt wahrscheinlich auch das vorübergehende römische Feldlager, dessen Graben im nordwestlichen Vorfeld des Kastells freigelegt wurde. Bei den nachfolgenden Friedensverhandlungen mit den Quaden im Herbst desselben Jahres verstarb Kaiser Valentinian I. in Brigetio plötzlich. Nach seinem Tod und der Niederlage der römischen Armee bei Hadrianopel war der geschwächte Staat nicht mehr imstande, militärischen Schutz gegen weiteren Angriffen zu gewährleisten und in das Gebiet Pannoniens drangen nach und nach mehrere barbarische Stämme und Völker ein.

Damals ging offenbar auch das römische Kastell in Iža gewaltsam unter. In seinem Areal siedelten sich für eine gewisse Zeit germanische Quaden an, vermischt mit Gruppen neuer Zuwanderer, vielleicht Goten oder Alanen. Nach ihrem Abzug irgendwann im Verlauf der ersten Hälfte des 5. Jh. blieb dieses Gelände unbewohnt.

Viele Fragen bleiben auch nach den langjährigen Grabungen noch unbeantwortet. Unbekannt ist weiterhin der Name der Militäreinheit, die die Besatzung dieser vorgeschobenen römischen Limesfestung bildete. Ebenso unsicher bleibt der antike Name "Kelemantia", mit dem aufgrund der Angaben des antiken Geographen Klaudios Ptolemaios dieses römische Kastell bezeichnet wird. Ungeachtet dessen haben jedoch die bisherigen Untersuchungen schon sehr ausgeprägt unser Wissen um die bauhistorische Entwicklung bereichert, zudem aber auch unser Verständnis der geschichtlichen Ereignisse, die sich auf diesem Gebiet vom Ende des 2. bis zum Beginn des 5. Jh. abspielten.

    © ElenaBlazova